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"Terrasse und Garten haben sich zum zweiten Wohnzimmer entwickelt"

01.06.2023

Design-Journalist und Trendforscher Frank A. Reinhardt

Design-Journalist und Trendforscher Frank A. Reinhardt

Sie kennen die Szene und die Branchen, suchen nach Trends und formulieren treffsicher die Entwicklungen im Wohnbereich. Wie würden Sie den aktuellen Trend bei Gartenmöbeln beschreiben und welche Innovationen sind derzeit besonders gefragt?

Die Gestaltungs- und Produktqualität bei Outdoor-Möbeln ist enorm gestiegen. Häufig lassen sie sich sowohl outdoor als auch indoor verwenden und werden damit auch immer stärker von den allgemeinen Gestaltungstrends im Möbel- und Interior Design geprägt. Dem Wunsch nach Wohnlichkeit auf der Terrasse kommen die Hersteller mit Materialinnovationen, der Verwendung von immer mehr Polstern und textilen Elementen sowie einem zunehmenden Kollektionsgedanken nach.

Wie beeinflussen gesellschaftliche Veränderungen, wie beispielsweise der zunehmende Trend zum Outdoor-Living und die Verlagerung des sozialen Lebens nach draußen, die Nachfrage nach Gartenmöbeln? Welche neuen Bedürfnisse entstehen dadurch? Auch im Hinblick auf das Leitthema der diesjährigen spoga+gafa.

In der Wohnpsychologie spricht man von „Aneignung“ des Raums – wir wollen schlicht unseren Raum erweitern und ihn als solchen markieren. Die Frage ist aber doch, warum? Warum boomen Wohnmobile und Camping-taugliche Bullis? Psychologisch betrachtet ist es sicherlich auch der Versuch, sich ein Stück Freiheit in einer als immer feindseliger und stressiger empfundenen Umwelt zurückzuerobern. Das heimische Sicherheitsgefühl nach außen zu transportieren, Satelliten in der Außenwelt zu gründen, Schutzräume, in denen wir Geselligkeit unbeschwert erleben können. Das ist sicherlich auch ein Erbe der Pandemie-Erfahrung. Nicht von ungefähr treffen sich viele Jugendliche heute noch abends an halböffentlichen Plätzen. Hinzu kommt noch eine Mischung aus ein bisschen Nostalgie, aus einer neu verstandenen Geselligkeit, die uns das Biergarten- und Schrebergarten-Feeling nach Hause auf die Terrasse oder in den Hinterhof holen lässt, sowie aus einer Art Weltflucht angesichts der Krisenmeldungen in Sachen Klima, die das Thema derzeit so attraktiv macht, und zwar, und das ist interessant, genauso für junge wie für ältere Menschen. Wir sind auf der Suche nach der „heilen Welt“ aus unseren Kindheitserinnerungen, in der uns die Natur generell als Idylle begegnete. Und mit jeder Schreckensmeldung zum Klimawandel sehnen wir uns mehr nach Normalität – daher sind viele Menschen, auch in der Stadt, auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Naturerlebnis. Mit der wohnlichen, Gemütlichkeit und Sicherheit genauso wie Freiheit transportierenden Ausstattung der Terrasse, mit Sofa, Tisch, Liege, Hängesessel, Outdoor-Küche, Pflanzenkübeln und Kräutertreppen lässt sich diese emotionale Mischung „herbeiwohnen“.

Welche neuen Nutzungskonzepte und Verbrauchertrends können wir in Bezug auf Gartenmöbel in den nächsten Jahren erwarten?

Schon seit ein paar Jahren lässt sich beobachten, dass Terrasse oder Garten sich zum „zweiten Wohnzimmer“ entwickeln. Hier herrscht heute ein ganz neues Anspruchsdenken als das noch vor wenigen Jahren vorherrschende DIY-Ambiente, und die Industrie antwortet mit qualitativ hochwertigen Outdoor-Möbeln und wasserresistenten Materialien und Stoffen, die auch nach einem Schauer noch tipptopp aussehen. Diese Entwicklung war bereits auf der spoga+gafa 2019 zu beobachten. Das ist nicht mehr nur dem Wunsch geschuldet, der Natur möglichst nah zu sein, sondern auch dem gestiegenen Platzbedarf. Wir erschließen uns neue Räume mit größeren Freiheiten. Damit können einige Funktionen der Wohnung nach außen verlagert werden, wie beispielsweise das Socializing beim Kochen und Essen mit Freunden.

Interessant sind designorientierte Abtrennungen, die sowohl auf dem Balkon als auch im Garten installiert werden können und nicht nur als Sichtschutz dienen, sondern auch zunehmend lärmreduzierende Funktionen übernehmen. Das kann auch mal eine hippe Pflanzenwand sein. Der Hintergrund hinter dieser Entwicklung: In unserem Garten wollen wir uns zurückziehen – auch vom Nachbarn. Umgekehrt laden wir aber auch gerne Freunde auf unseren Balkon oder in unseren Garten ein: zum gemeinsamen Grillen, Kochen oder Beisammensein. Daher boomen Outdoor-Küchen und das Barbecue.

Welche Ratschläge würden Sie Herstellern und Händlern von Gartenmöbeln geben, um sich auf zukünftige Trends vorzubereiten und erfolgreich zu bleiben?

Das Thema Farbe ist wichtig und sensibel zugleich. Im Vorfeld einer neuen Outdoor-Saison abzuschätzen, welche Farbe einen möglichst hohen Umsatz generiert, ist eine Aufgabe für Profis. Die spoga+gafa ist eine Messeplattform, auf der genau solche Entwicklungen abgelesen werden können. Für Einkäuferinnen und Einkäufer ist die spoga+gafa ideal zur Einschätzung aktueller Gestaltungs- und Farbentwicklungen bei Outdoormöbel. War zum Beispiel die Farbe Grau lange Zeit bei den Grundtönen dominierend, erfolgte unlängst ein Wechsel zu einer wohnlichen Farbpalette im Beige-Farbraum. Im Luxus-Segment ist dazu noch eine Renaissance von Weiß zu beobachten. Generell ist die Basic-„Farbe“ Holz nicht mehr allein auf der Terrasse, sondern bekommt Konkurrenz von „echten“ Farben wie Gelb- und Grüntönen oder dem aktuell gehyptem Rosa. Das Wissen um aktuelle Farbtrends im Vorfeld einer Messe ist daher entscheidend für den Verkaufserfolg der aktuellen Saison. Hier sollte jeder Anbieter professionelle Trendforschung betreiben.

Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidungen der Verbraucher bei der Auswahl von Gartenmöbeln? Gibt es bestimmte Aspekte, auf die sie besonderen Wert legen?

Die Anforderungen an Gartenmöbel sind per se schon hoch, insbesondere in Bezug auf die Wetterbeständigkeit. Neben einer hohen Materialqualität wächst aber auch – unabhängig von den Vertriebskanälen – der Anspruch an eine hohe, zeitgemäße Gestaltungsqualität mit zum Teil trendaffinen Designs. Lifestyle und Mode gewinnen an Bedeutung. Auch scheint der Kollektionsgedanke, also die Möglichkeit der Individualisierung mit verschiedenen Modulen und Möbeln, immer wichtiger zu werden. Dies impliziert für einen bestimmten Zeitraum auch eine Nachkauf-Garantie – das ist für die Branche zweifelsohne eine neue Herausforderung.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung im Bereich nachhaltiger und umweltfreundlicher Gartenmöbel? Welche Materialien und Herstellungstechniken werden in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen?

Ich bin jetzt mal ganz ehrlich: Ja, es gibt seit vielleicht 2 Jahren eine Welle an Ideen für nachhaltige Outdoor-Möbel – allerdings auf einem eher niedrigen Level. Ich rechne hier aber in den nächsten Jahren mit einem signifikanten Anstieg, weil das Thema Nachhaltigkeit doch gerade ím Outdoor-Bereich zur Kernkompetenz gehören sollte. Der Druck der Endverbraucher wird steigen, und wir werden schon zur spoga+gafa 2023 mehr Aussteller sehen, die das Thema Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihrer Kommunikation stellen. Ich möchte das Thema Nachhaltigkeit auch nicht als klassisches Trendthema verstehen: Mittel- und langfristig werden nachhaltig produzierte Outdoor-Möbel zu einer Selbstverständlichkeit werden.

Welche Rolle spielen technologische Entwicklungen, wie beispielsweise smarte Funktionen, bei der Gestaltung von Gartenmöbeln? Gibt es bereits innovative Beispiele, die Sie hervorheben möchten?

Mit der LED-Technologie wird die Gartenbeleuchtung zur richtigen Tummelwiese für Liebhaber stimmungsvoller Ambiente-Gestaltungen, und der wohnliche Charakter des Outdoor-Bereichs gewinnt damit eine ganz neue Dimension. Aus China kommt zudem ein weiterer Trend: Kaum ein Möbel ohne Strom- bzw. USB-Anschluss. Ob sich das im europäischen Raum bzw. im Outdoor-Bereich auch durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Doch auch im Garten wollen wir telefonieren und ein Tablet benutzen, sodass Lade- und Repeater-Funktionen für das Heimnetz auch in Outdoormöbeln integriert werden können.

Welche Rolle spielt die Multifunktionalität von Gartenmöbeln in Bezug auf begrenzten Platz und Flexibilität? Wie können Hersteller auf diese Anforderungen reagieren?

Ich sehe hier noch einen großen Optimierungsbedarf. Ein massiver Deck-Chair oder ein angesagtes Daybed ist sicherlich eine schöne Sache, doch wenn die – gerade für ältere Menschen – nur schwer zu transportieren sind, dürfte die Kaufentscheidung schwerfallen. Einige Aussteller der spoga+gafa haben schon reagiert und präsentieren etwa ergonomische Sonnenschirmständer und Verschattungssysteme – diese sind auch für ältere Menschen einfacher zu bewegen.

Ich weiß nicht, ob man acht Quadratmeter Rollrasen hinter einem schmalen Reihenhaus oder einen kleinen Balkon schon als Naturerlebnis bezeichnen kann, aber für viele ist dieser kleine Rückzugsort schon so etwas wie der Himmel auf Erden. Daher ist die Multifunktionalität von Outdoormöbeln und Accessoires für die Verwendung auf kleinem Raum sehr wichtig. Ähnlich wie in anderen Wohnbereichen könnte die strategische Zusammenarbeit mit der Beschlagindustrie daher eine Schlüsselrolle einnehmen. Multifunktionalität ist in allen Sortimentsbereichen ein wachsender Aufgabenbereich. Auf der spoga+gafa kann man auch dazu sicherlich wieder viele Beispiele sehen – die Branche hat sich dieser Herausforderung schon lange angenommen.