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Wie digital ist die Grüne Branche?

04.04.2019

Digitalisierung in der Grünen Branche

Ein Interview mit Dr. Johannes B. Berentzen (Dr. Wieselhuber & Partner GmbH)

Kaum eine Entwicklung der letzten Jahre hat die Unternehmen vor so große Herausforderungen gestellt, wie die Digitalisierung. Der technische Fortschritt ist in diesem Bereich häufig so schnell, dass es vielen schwerfällt mitzuhalten. Geschäftsprozesse und -tätigkeiten verändern sich fortwährend. Es entstehen zugleich aber immer auch neue Potentiale und Möglichkeiten in Richtung Markt und Kunden.

Wir haben über das Thema mit Dr. Johannes Berentzen gesprochen. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung bei der Münchener Unternehmensberatung Wieselhuber & Partner, ausgebildeter Führungscoach und Kenner der Grünen Branche. Auf der spoga+gafa im September 2018 sprach er im Forum Gartencafé zum Thema „Globale Trends“ und war Teilnehmer der Taspo-Talk-Podiumsdiskussion zum Schwerpunktthema Digitalisierung. Auch für die spoga+gafa 2019 hat Dr. Berentzen bereits seine Teilnahme an der Vortragsreihe zugesagt.

Herr Dr. Berentzen, man hat manchmal den Eindruck, dass sich die Grüne Branche mit der Digitalisierung etwas schwerer tut als andere. Ist das tatsächlich so oder täuscht das?

Dr. Berentzen: Das kann man grundsätzlich nicht so sagen. Es gibt in der Grünen Branche sowohl auf Handels- als auch auf Herstellerseite Vorreiter in digitalen Themen. Es stimmt jedoch, dass viele Unternehmen sich noch zu wenig mit den Konsequenzen der Digitalisierung für ihr Geschäft beschäftigen. In der Grünen Branche herrscht ähnlich wie im Lebensmitteleinzelhandel aktuell noch weniger Druck und Bedrohung durch Onlinegeschäft als z.B. bei Büchern, Elektro oder Mode. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch in der Grünen Branche so weit ist. Daher ist es bereits jetzt lohnenswert, sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen.

Dr. Berentzen

Sie empfehlen Unternehmen sich für ihre digitale Transformation eine Roadmap zu erstellen. Wie sieht eine solche Map aus und welche Vorteile bringt sie?

Dr. Berentzen: Eine Roadmap zur digitalen Transformation sieht für jedes Unternehmen gänzlich unterschiedlich aus, weil sie immer an individuellen Kundenanforderungen ausgerichtet ist. Daraus leitet sich dann auch das Datenmodell für das Unternehmen ab. Viele Marktteilnehmer denken noch zu sehr „inside-out“, also aus der Innensicht: Was können wir? Was bieten wir an? Wie machen wir das? Besser wäre eine starke „outside-in“-Orientierung, also die Kundensicht: Was will der Kunde an den verschiedenen Stationen seiner Kunden­reise? Was erwartet er von uns? Was sind seine Bedürfnisse? Warum sollte er überhaupt bei uns in der Filiale kaufen und nicht bequem per Tablet vom Sofa aus? Und die nachgelagerte Frage lautet: Wie ist diese Kundenreise mit ihren Anforderungen im Unternehmen anhand eines dafür geeigneten Datenmodells richtig abzubilden? Welche Kundentypen gibt es? Welche Prozesse und Systeme brauche ich zukünftig? Und welche internen wie externen Daten nutze ich?

Die Antworten sind die Basis für die Roadmap, die dann Einzelinitiativen für die Digitalisierung bündelt und in eine sinnvolle Reihenfolge bringt. Sie beschreibt ein Zielbild und den Weg dorthin in sinnvollen Etappen. Dadurch wird das meist diffuse Vorhaben unter dem strapazierten Begriff „Digitale Transformation“ greifbarer und konkreter. Über die verschiedenen Meilensteine einer solchen Roadmap lässt sich dann ein Umsetzungsplan erarbeiten, der auch die nötige externe Unterstützung und notwendige Investitionen, z.B. in die IT-Infrastruktur aufzeigt.

Viele Unternehmen sind verunsichert, welche digitalen Services sie ihren Kunden auf der Fläche oder online tatsächlich bieten sollen. Was raten Sie diesen? Wie erkennt man, welche technischen Möglichkeiten für welches Unternehmen sinnvoll sind?

Dr. Berentzen: Leider lässt sich auch diese Frage nicht pauschal beantworten. Eine Empfehlung könnte lauten, sich in anderen Branchen und auch anderen Ländern anzuschauen, was funktioniert und was tatsächlich von Kunden begeistert angenommen wird. Kundenzentrierung lautet auch hier die Handlungsmaxime. Häufig ist es ein schmaler Grat zwischen echtem Kundennutzen und teurem „Schnickschnack“. So kann z.B. eine virtuelle Ausstellung für Gartenmöbel auf Bildschirmen heute schon sehr sinnvoll sein, weil es nicht wirtschaftlich wäre, mehrere 100 Garnituren real auf der Fläche zu präsentieren. Für eine Virtual Reality- oder Augmented Reality-Gartenplanung ist es hingegen vielleicht noch zu früh bzw. die Technik ist noch zu teuer/noch nicht perfekt ausgereift. Fakt ist, digitale Lösungen auf der Fläche werden zunehmen und dadurch langfristig im Preis sinken. Nicht zuletzt die Frage der Wirtschaftlichkeit sollte vor einer Einführung geklärt sein – das klingt banal, ist jedoch keine Selbstverständlichkeit.

Neben den für den Kunden sichtbaren digitalen Services sollten auch die internen Prozesse auf Einsatzmöglichkeiten geprüft werden, z.B. automatisierte Bewässerung, Nährstoff- und Tageslichtversorgung des lebenden Grüns. Wir sehen Digitalisierung in der Projektarbeit immer ganzheitlich und sehr kundenindividuell – ein Produkt von der Stange gibt es schichtweg nicht. Angst sollte man vor den digitalen Veränderungen jedoch nicht haben, sondern sie vor allem als Chance begreifen und mutig angehen!

Weitere Informationen: wieselhuber.de